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Arbeitsrechtliche Fragen zu Sport-Großveranstaltungen

Für Sportfans eine Horrorvorstellung: eine Welt- oder Europameisterschaft oder Olympische Spiele finden statt, und während der Spiele muss man arbeiten.

Diese Problematik wurde bereits bei der letzten Weltmeisterschaft in den Betrieben heftig diskutiert und wird immer wieder Thema sein. Wie kann erreicht werden, dass wenigstens die wichtigsten Spiele und Ereignisse am Bildschirm verfolgt werden können?

Wegen einer sportlichen Großveranstaltung einfach der Arbeit fernbleiben, das geht nicht. Arbeitsrechtlich kann das schlimme Folgen haben. Und wer nicht krank ist, kann sich auch nicht krankschreiben lassen. Also müssen andere Überlegungen her. Ohnehin wird es auch im Interesse des Arbeitgebers liegen, eine vernünftige Lösung zu finden. Nur motivierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringen gute Leistungen.

Eine Möglichkeit könnte sein, für den einen oder anderen Tag, für ein Fußballspiel oder einen besonderes Wettkampfereignis Urlaub zu nehmen. Sicherlich kein Patentrezept, aber in Betrieben, in denen die Sportbegeisterung nicht sehr verbreitet ist, ist das für einzelne Beschäftigte durchaus überlegenswert.

Immerhin kann man sich auf das Bundesurlaubsgesetz berufen. Es bestimmt, dass bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs, also auch bei Teilurlaub, die Wünsche der Arbeitnehmer*innen zu berücksichtigen sind, sofern dem nicht dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer*innen entgegenstehen (vgl. § 7 Abs. 1 BUrlG).

Auch der Erholungszweck des Urlaubs widerspricht nicht dem Wunsch, an einzelnen Tagen Urlaub zu bekommen. Zwar dient ein zusammenhängender Urlaub diesem Zweck. Dieser Grundsatz erstreckt sich aber nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG. Der Urlaub nach den einschlägigen tariflichen Bestimmungen ist regelmäßig höher. Es ist daher zulässig, in bestimmten Fällen auch einzelne Tage oder gar nur einen halben Tag Urlaub zu nehmen. Der Urlaub muss allerdings genehmigt werden und sollte rechtzeitig beantragt werden.

Kommt es zu Schwierigkeiten, sollte der Betriebsrat hinzugezogen werden. Er hat nicht nur ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans, das Gesetz sieht auch ein Mitbestimmungsrecht vor, wenn es um die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer*innen geht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zwischen diesen und dem Arbeitgeber kein Einvernehmen erzielt wird (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG).

Betrifft die Frage der Urlaubsgewährung nicht nur einzelne Arbeitnehmer*innen, liegt regelmäßig ein kollektives Regelungsbedürfnis vor. Es besteht insoweit die Mitbestimmung bei der Festlegung von Urlaubsgrundsätzen. Sie schließt ein Initiativrecht ein.

Das bedeutet: Der Betriebsrat verhandelt mit dem Arbeitgeber über die Gewährung von Urlaub. Natürlich wird es dabei nur um einzelne Urlaubstage gehen können, wie beispielsweise für das Halbfinale einer Fußball-WM oder – sofern Sonntagsarbeit zu leisten ist – für das Finale. Bei Nichteinigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sieht das Gesetz die Entscheidung der Einigungsstelle vor (§ 87 Abs. 2 BetrVG).

Betriebsrat und Arbeitgeber können vereinbaren, dass die Arbeitszeit an Spieltagen verkürzt wird, damit die beschäftigten die Möglichkeit haben, die Spiele zu verfolgen. Die ausgefallene Arbeitszeit kann dann entweder vor- oder nachgeholt werden. Auch das unterliegt der Mitbestimmung. Da Fußballspiele meist am Nachmittag und am Abend übertragen werden, fallen bei einer tagsüber zu leistenden Arbeitszeit nur wenige Ausfallstunden an.

Schwieriger wird es in Betrieben mit Schichtarbeit. Wenn es um einzelne Beschäftigte geht, wird es sicherlich möglich sein, Arbeitskolleg*innen zu finden, die bereit sind, die Schicht zu tauschen. In größeren Betrieben kann der Betriebsrat hierbei eine vermittelnde Funktion übernehmen.

Wenn solche Einzellösungen nicht möglich sind, muss allerdings nach einem kollektiven Lösungsweg gesucht werden. Der Betriebsrat könnte zunächst feststellen, welche einzelnen Sportereignisse oder Spiele auf besonderes Interesse stoßen. Das könnte etwa beim Halbfinale einer Fußball-WM der Fall sein. Erst recht, wenn es um das Finale geht und Sonntagsarbeit zu leisten ist. Dann wäre mit dem Arbeitgeber über die Freistellung (gegebenenfalls teilweise Freistellung) von der Arbeit zu verhandeln.

Wie bei den Grundsätzen zur Urlaubsgewährung, besteht auch bei Regelungen zur Lage der Arbeitszeit gleichberechtigte Mitbestimmung. Der Betriebsrat hat über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit mitzubestimmen, über deren Verteilung auf die einzelnen Wochentage und bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG).

Die Mitbestimmung bei Veränderungen der betrieblichen Arbeitszeit beinhaltet ein erzwingbares Initiativrecht. Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber seine Vorstellungen über veränderte Arbeitszeiten darlegen, und dieser muss sich auf entsprechende Verhandlungen einlassen.

Kommt es zu keiner Einigung, entscheidet die vom Betriebsverfassungsgesetz vorgesehene Einigungsstelle verbindlich (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Dieses Mittel zur Konfliktbeilegung muss nicht eingesetzt werden, wenn beide Seiten um eine vernünftige Lösung bemüht sind. Die Erfahrung zeigt, dass Arbeitgeber häufig zum Einlenken bereit sind, wenn der Betriebsrat unmissverständlich klar macht, dass er erforderlichenfalls die Einigungsstelle anrufen wird.

Es könnte geprüft werden, ob es möglich ist, die Belegschaft an dem einen oder anderen wichtigen Spiel oder der einen oder anderen Wettkampfdisziplin bei z.B. den Olympischen Spielen durch eine Übertragung im Betrieb, etwa durch Aufstellung einer Großleinwand, teilnehmen zu lassen. Dabei kommt es auf die konkreten betrieblichen Verhältnisse an. In Produktionsbereichen wird es schwieriger sein als in der Verwaltung. In der Produktion kommt vielleicht eine Lagerhalle, in der Verwaltung ein größerer Konferenzraum in Betracht. Ein allseits beliebter Ort ist, soweit vorhanden, auch die Kantine oder ein gemeinsamer Aufenthaltsraum.

Auch hierbei steht der Betriebsrat nicht im Abseits. Die Mitbestimmung ergibt sich allerdings aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Fragen der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb). Um solche Regelungsfragen geht es, wenn die Gelegenheit geschaffen werden soll, sportliche Großereignisse im Betrieb am Bildschirm bzw. auf einer Großleinwand zu verfolgen. Daneben greift aber auch die Mitbestimmung in Fragen der Arbeitszeit, denn auch dieser Aspekt muss geregelt werden.

Es kann allerdings auch sein, dass der Arbeitgeber aus Anlass einer sportlichen Großveranstaltung die Leistung von Überstunden verlangt. Bei einigen Betrieben z.B. in der Nähe von Public-Viewing-Areas wurde bei Sportereignissen, insbesondere im Einzelhandelsbereich, vom Arbeitgeber längere betriebliche Öffnungszeit gefordert.

Niemand kann gezwungen werden, Überstunden zu leisten, sofern im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich festgeschrieben ist, dass der Arbeitgeber Mehrarbeit verlangen kann. Selbstverständlich sind die Grenzen des Arbeitszeitrechts zu beachten. Im Übrigen gilt auch hier: Bei der Frage, ob Überstunden geleistet werden sollen, in welchem Umfang und zu welchen Zeiten, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG).

Sofern der Betriebsrat bereit ist, Überstunden zuzustimmen, sind mit ihm Umfang und Lage zu regeln. Möglicherweise ist nicht die gesamte Belegschaft betroffen; vielleicht können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Überstundenleistung an bestimmten Spieltagen abwechseln.

Das Verlassen des Arbeitsplatzes, um sich z.B. ein Fußballspiel in der Kneipe um die Ecke anzusehen, stellt ohne das Vorliegen einer anderweitigen Regelung eine Arbeitsverweigerung dar, welche mit einer Abmahnung geahndet werden kann.

Etwas anderes gilt, wenn eine Live-Übertragung am Radio verfolgt wird. Arbeitnehmer*innen sind aufgrund des Arbeitsvertrags verpflichtet, die übertragene Arbeit ordnungsgemäß zu verrichten, d.h. konzentriert und sorgfältig zu arbeiten und die Arbeit nicht zu unterbrechen, um privaten Interessen nachzugehen. Ist diese ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitspflicht durch das Radiohören nicht beeinträchtigt, liegt im Radiohören auch keine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG v. 14.01.1986 – 1 ABR 75/83 – AuB 1987, 66). Es kommt allerdings auf den Einzelfall an.

In Betrieben ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts bestimmen, dass das Radiohören generell oder zu bestimmten Zeiten untersagt ist.

In Betrieben mit Betriebsrat darf eine solch einseitige Anordnung nicht erfolgen. Die Frage des Radiohörens betrifft die Ordnung im Betrieb und ist daher gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

Kein Arbeitgeber kann berechtigte Wünsche der Arbeitnehmer*innen einfach ignorieren.

Gut ist auch, dass nicht jeder einzelne Beschäftigte an den Vorgesetzten oder den Arbeitgeber herantreten muss, sondern dass der Betriebsrat mit der Arbeitgeberseite verhandeln kann. Bei beiderseitigem gutem Willen wird sich häufig ein sachgerechter Kompromiss erzielen lassen.

Redaktioneller Stand: Juni 2018

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